Der ganz normale Wahnsinn
Es fing eigentlich gut an mit dem Hilfstransport. Da nun die Polen ihr Autobahnnetz
weiter ausbauen kamen wir in nur 2 Tagen in Marijampole /Litauen an.
Dort wurden wir vom Caritasdirektor herzlich empfangen. Der LKW kam zum Schutz
vor Dieben in eine Kaserne. Am nächsten Tag wurde der erste Container abgeladen
und es sollte weitergehen nach Weißrussland. Auf dem Weg zur Weißrussischen
Staatsgrenze, gelotst vom Caritasdirektor, ereilt uns der Anruf dass wir heute
keine Zollabfertigungsnummer aus Minsk mehr bekommen würden. Das Unheil nahm
seinen Lauf. Also zurück, wir waren ja noch nicht weit gefahren. Der Gliederzug
kommt zur Sicherheit auf ein bewachtes Industriegelände. Am nächsten
Morgen fährt eine Dolmetscherin bei uns mit. Sie kennt aber den Weg nicht.
Mein Navi hat keine Feindaten von Litauen und Weißrussland. Also wird die
Landkarte genommen. Die hat aber einen zu großen Maßstab. Irgendwie
schaffen wir es über Umwege zur Grenze und unter zum Teil der Nichteinhaltung
der StVO. Dann geht es an den wartenden LKW's vorbei bis zum ersten Schlagbaum.
Dort reihen wir uns ein. Aus Litauen kommen wir zügig heraus. dann kommt die
Belarus Grenze. Der Papierkrieg fängt an. Dabei fällt mir auf, dass ich
keine internationale Versicherungskarte mitführe. Also darf ich eine für
15 Euro kaufen, sonst müsste ich umkehren oder ggfs. eine Strafe bezahlen.
Der uns zugeteilte "Grenzscout" hat von nichts eine Ahnung, leider ebenso
die Dolmetscherin von der Zollabfertigung. Für alles muss ein Stempel her.
In der Spalte Spediteur des int. Frachtbriefes CMR fehlt mir ein Stempel
von den Maltesern, so dass ich mich mit meiner privaten Adresse in der Malteser-Spalte
eintragen muss. Immer wieder darf ich den Reisepass mit Visum und die Autopapiere
zeigen. Dann fehlt das " phytosanitäre certificate", es bescheinigt
die Reinheit der 1Tonne Lebensmittel (Haferflocken, Mehl und Reis). Das Martyrium
nimmt weiter seinen Lauf. Bestechungsversuche scheitern allesamt. Irgendwann reicht
es mir und wir möchten umkehren. Die Dolmetscherin verlässt uns, hatte
Sie doch gehofft dass die 8 Tonnen Hilfsgüter nach Grodno kommen. Aus einer
nicht stattgefundenen Einreise wird nun eine "Ausreise" aus Belarus bearbeitet,
damit der Stempel- und Papierkrieg sein Ende findet. An der Litauische Grenze muss
obwohl wir eigentlich nicht aus der EU ausgereist sind zur Einführung von
Waren eine Deklaration ausgefüllt werden. Nun ereilt uns der Anruf, "verweilt
an der Grenze" morgen früh erhaltet ihr das Zertifikat. Die Einreise
nach Litauen wird unter dem Gelächter der Zöllner gecancelt. Wir sitzen
nun auf der Litauischen Grenze und kochen uns wieder eine Dose Nudelgoulasch. Anschließend
ziehen wir uns im Campingstuhl sitzend, vor lauter Frust jeder 2 Gläser Wodka
rein. In den späten Abendstunden fordert uns ein Grenzer auf die Litauische
Grenze zu verlassen. Schlagartig bin ich wieder nüchtern. Wir packen unsere
7 Sachen zusammen und reihen uns in die LKW-Spur wieder ein. Das Zertifikat haben
wir ja nicht und müssen am Abend trotzdem wieder einreisen. Die Nerven liegen
blank, und ich mache meinen Unmut beim Hilfskomitee lautstark kund. Da wir nun
den Ablauf kennen auch ohne Dolmetscherin, fangen wir wieder mit dem Stempel- und
Papierkrieg an. Danach legen wir uns in die Notkojen um ein wenig zu schlafen.
Am Morgen kommt die wieder angeforderte Dolmetscherin zurück. Warten, warten,
warten und das Zertifikat kommt nicht oder das Falsche. Der Tag schreitet voran
und hier ist es ja auch schon eine Stunde weiter. In der Nachbarschaft wird auf
einem Militärübungsplatz mit schweren Geschützen geballert, die
Druckwellen lassen alles in der Umgebung erbeben. Nun werden wir ermahnt das Gelände
zu verlassen, ebenso das ständige Faxen des Hilfskomitees der falschen Zertifikate.
Das Papier an der Zollgrenze neigt sich dem Ende zu. Jetzt entscheide ich mich
dazu die Sache selber in die Hand zunehmen. Ein Helfer aus der Heimat der auch
unterwegs ist, fällt aus. "Ich habe dich gewarnt"! Vom Zweiten habe
ich die Nummer nicht mit, fällt aus. Eine mir persönlich bekannte Spedition
kann auf die Schnelle auch nicht helfen, fällt ebenso aus. Mein Schwager hilft
uns, faxt dem Hilfskomitee ein Zertifikat zu. Das kommt nach der Bearbeitung an
der Grenze an, wir freuen uns. Aber leider steht der Zusatz "Transport"
im Schreiben. Es wird nicht akzeptiert. Dann muss die Dolmetscherin auf Anweisung
die Grenze verlassen. Was wir nicht wissen, sie hält sich im Grenzbereich
noch auf um uns zu beobachten. Wir fordern erneut eine weitere Dolmetscherin an.
Die dann auch kommt, wieder ist Zeit vergangen. Nun kommt wieder Bewegung ist Spiel.
Leider ohne Erfolg. Ich rufe den lieben Gott an und bitte ihn um Hilfe. Irgendwann
entscheide ich mich zum Abbruch der Einreise nach Weißrussland. Dass die
neue Dolmetscherin bei den Maltesern in Vechta anruft, bekomme
ich nicht mit. Ich verweile ja am LKW. Die gleichen Gedanken, mir aus dem Osnabrücker
Raum helfen zu lassen, hatte ich ja auch. Mir fehlten aber die Rufnummern vom Kölner
Kontaktmann. Der Motor läuft zum Druckluftaufbau der Bremsanlage damit ich das
Wendemanöver einleiten kann. Kurioser Weise kommt dann zur gleichen Zeit Hilfe
aus Cloppenburg,
den Heimatort meiner väterlichen Familie. Mein Freund Heinrich teilt mir nun
mit dass ich warten solle da soeben ein Fax eingegangen wäre. Das Zertifikat
wird anerkannt und die Zollabwicklungen gehen weiter. Nun wird der Verdacht erweckt
wir könnten ja die Container im Lande belassen. Es wird sich die KatS Bezeichnung (AB-C2
= Abrollbehälter Container 2) und die Herstellernummern vom Container notiert.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Nach 29 Stunden!!! dürfen
wir endlich nach Belarus einreisen. Meine größere Notdurft hatte ich
48 Stunden nicht verrichten können! Die Toiletten (Dixi) an der Grenze waren
eine Zumutung. In Grodno kommt der Gliederzug auf einen Zollhof. Auch hier wieder
Stempel- und Papierkrieg am nächsten Tage. Bevor die Zollabfertigung abgeschlossen
werden kann, möchte der Zoll in die Container schauen. Dafür soll ich
an eine Rampe fahren. Der Zöllner darf nicht an den LKW kommen. Ich werde
bekloppt hier. Das geht technisch gar nicht. Ich fahre doch einen Container Gliederzug
und da steht der Container auf dem Hänger anders herum, also zeigt die Tür
zur Deichsel. Die Deichsel kann ich ja schlecht an die Rampe fahren. Es wird wohl
doch eine Ausnahme gemacht und der Zöllner schaut sich einen vollgestopften
Container an. Viel kann er nicht sehen. Zum Glück müssen wir den Container
nicht abladen. Nach der Abwicklung verlasse ich den Zollhof und an der Caritasstätte
laden wir unter unserer Mithilfe den Container ab. Leider stattet uns der Caritasdirektor
keinen Besuch ab. Das Enttäuscht mich irgendwie. Wir bekommen noch ein Essen
spendiert und machen uns anschließend wieder auf die Heimreise. Im Gepäck
die erste Dolmetscherin. An der Grenze stehen ca. 100 LKWs zur Ausreise.
Ich bekomme wieder eine Krise, müssen wir jetzt wieder 24 Stunden anstehen?
Mit einem russischen LKW-Fahrer wird verhandelt ob er uns den Vortritt lässt.
Er stimmt dem zu. So mogeln wir uns an den 100 Fahrzeugen vorbei bis zum Schlagbaum.
In der nun folgenden Papier- und Stempelschlacht wird meine Einreisegenehmigung
verlangt. Die habe ich nicht. Der Zollbeamtin wurde nun von oberster Stelle erklärt
dass ich als humanitärer Transporteur so einen Wisch nicht benötige.
Da auf beiden Seiten der Grenze Schichtwechsel der Zöllner stattfindet, warten
wir erst beim "Ausreiseschlagbaum" der Weißrussen und dann zur
Einreise in Polen. Nach über 6 Stunden dürfen wir wieder in der EU einreisen.
Wir fahren noch bis Bialystok und mieten uns dort ein Hotelzimmer.
So ein Zimmer würde in unseren Breiten keiner mehr haben wollen. Am folgenden
Tag verabschieden wir uns herzlich von der Dolmetscherin. Damit wir mit dem 18
Meter Geschoß nicht in das Zentrum von Warschau fahren zu müssen, setzen
wir die Dolmetscherin an einer Bushaltestelle an der Stadtgrenze ab. Dann folgt
der noch 2 tägige Heimweg. Glücklich und unbeschadet kommen wir am Samstag
den 15.092012 am Nachmittag in Köln wieder an. Am Autohof Eifeltor an der A4 im Kölner Süden
werde ich beim Tanken von einem Tramper angesprochen ob ich ihn ein Stück
auf der A1 Richtung Norden mitnehmen könnte. Leider muss ich ihm mitteilen
dass meine Fahrt gleich ein Ende finden wird. Dass ich gerade von einer 8 tägigen
und über 3000 km langen Tour zurückgekommen bin, verschweige ich ihm.
Wenn uns die Einreise nach Belarus weniger erschwert wird, würden wir dort
gerne wieder hinfahren um zu helfen.
Bedanken möchte ich mich sehr bei meinem Freund Heinrich, bei den beiden Dolmetscherinnen
aus Weißrussland und meinem Arbeitgeber.
Nochmals vielen Dank für die Unterstützung!